„Hoaxilla“ geht seit Mai 2010 Verschwörungstheorien, Urban Legends und populären Mythen auf den Grund. Foto: © privat
Man kann euch als Berühmtheiten in der ziemlich lebendigen Podcast-Szene bezeichnen. Was sind das denn für Menschen, die vielen Hörerinnen und Hörer?
Alexa: Das sind vielseitig interessierte Menschen aus fast allen Berufs- und Altersgruppen. Vom Teenager bis zum Rentner ist da alles vertreten. Vielleicht sind auch Kinder unter unseren Hörern, nur ist für sie natürlich nicht jede Folge geeignet.
Alexander: Wir erleben immer wieder bei den Hörertreffen, die wir auf unseren Reisen wann immer möglich, veranstalten, was für tolle und interessante Geschichten von den Teilnehmenden erzählt werden. Es ist einfach wunderbar, sich dann auch mal kennenlernen zu können.
Und worin liegen die Vorteile des Podcasting? Ich denke zunächst daran, dass sich Podcasts nicht so einfach klauen lassen wie etwa Texte im Internet.
Alexander: Ein großer Vorteil ist das „zeitsouveräne Hören“. Sprich, man lädt sich Folgen runter und kann sie dann hören, wann und wo man möchte. Das mit dem „Klauen“ stimmt natürlich auch, aber wichtiger ist fast noch, dass der Podcast als Medium sowohl bei der Produktion, als auch beim Konsum recht einfach ist. Man kann schon mit einfachen Mitteln und einer guten Idee ein erfolgreiches Projekt starten.
Alexa: Und für uns ist ist es zusätzlich von Vorteil, dass wir unser eigener Herr sind und alles komplett so aufbereiten können, wie wir möchten.
Der Hoaxmaster ist Psychologe, die Hoaxmistress ist Ethnologin. Habt ihr hier eure Berufe mit einem Hobby verbunden?
Alexa: Hoaxilla ist ja eigentlich schon mehr als ein Hobby. Unsere Studienfächer sind wirklich eine ganz gute Basis für so einen Podcast. Wir haben dadurch gelernt, wie man sich neue Themen erarbeitet und Inhalte kurz und prägnant aufbereitet. Und der Auslöser für den Podcast war ja die Beschäftigung mit modernen Sagen, das ist natürlich ein genuin volkskundliches Thema.
Alexander: Als Psychologe steht stets der Mensch im Mittelpunkt meines Interesses. Das ist ja auch der Grund für mich gewesen, diese Profession zu erlernen. Im wissenschaftlich-kritischen Bereich fasziniert mich zum einen, warum Menschen ein parawissenschaftliches Weltbild, also ein Weltbild, das keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhält, bevorzugen. Und zum anderen finde ich all das, was mit Täuschungen unserer Wahrnehmung zu tun hat, spannend. Dazu gehören dann UFOs, Geister und Spukerscheinungen oder die Sichtung von Nessie. In den allermeisten Fällen haben Menschen, Phänomenen berichten, tatsächlich etwas gesehen, aber die falschen Schlüsse gezogen.
Bestreitet ihr mit den Podcasts Euren Lebensunterhalt? Verdient ihr Geld damit?
Alexander: Vom Podcasten leben können wir nicht, obwohl durch Spenden schon jeden Monat eine kleine Summe zusammenkommt. Dadurch sind zumindest die Kosten des Projekts gedeckt. Aber ich hab natürlich noch einen regulären Dayjob in der Erwachsenenbildung.
Alexa: Ich habe mich letztes Jahr selbständig gemacht und erstelle für Privatpersonen Hörbücher aus biografischen Interviews. Das ist eine wirklich schöne und erfüllende Tätigkeit. Dazu kommen ja auch noch diverse Bücher, wie „Ghosthunting“ und „Muss man wissen“, die wir zusammen mit Sebastian Bartoschek geschrieben haben. Weitere Bücher sind schon in Planung.
Ein Podcast, ein Thema: gibt es eigentlich noch etwas, über das ihr noch nicht gesprochen habt in den vergangenen Jahren?
Alexander: Ja, jede Woche nehmen wir uns ein Thema vor und am Anfang haben wir auch befürchtet, dass uns die Themen schnell ausgehen werden. Aber die Liste wächst eher, als dass sie schrumpft.
Alexa: Wir bekommen mehrere Mails pro Woche mit Themenvorschlägen. Da sind oft Sachen dabei, von denen wir noch nie was gehört haben. Das ist natürlich besonders spannend.
Wie wählt ihr die Themen denn aus? Gibt es welche, die ihr aus bestimmten Gründen lieber nicht behandeln wollt?
Alexa: Die Themen, die uns Hörer schicken, versuchen wir in der Regel alle im Laufe der Zeit abzuarbeiten. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch solche, an denen wir persönlich hängen und auf die wir Lust haben. Der Spaßfaktor spielt auf jeden Fall eine Rolle.
Alexander: Es gibt aber auch Dinge, die wir gern mal behandeln würden und die auch wichtig wären, die aber vermutlich schnell zu saftigen Klagen führen würden. Und zu Kosten, die wir uns nicht leisten können. Ich denke da zum Beispiel an Scientology.
Welche Episoden würdet ihr als echte Höhepunkte bezeichnen?
Alexa: Also wenn ich nach dem Spaß bei der Vorbereitung und der Aufnahme gehe, wär das für mich die Neuschwabenlandfolge. In dieser Episode haben wir die Verschwörungstheorie auseinandergenommen, die behauptet Adolf Hitler würde am Südpol eine geheime Basis der Reichsdeutschen haben und immer noch dort leben. Und was die ganzen Begleitumstände angeht, der Bericht vom Vampirkongress in Duisburg. Ich meine, das war die Nummer fünfzig.
Alexander: Oh, da gibt es sehr viele Episoden, die ganz großartig waren. So durften wir einen echten Professor für Weltraummedizin interviewen, von denen gibt es weltweit nur eine handvoll. Journalistisch gesehen war aber das Interview mit Dr. Axel Stoll sicherlich eine Nagelprobe für uns. Die Recherche für dieses Interview war sicherlich die aufwendigste, die wir je durchgeführt haben.
Stichwort Aufklärung. Glaubt ihr an die Aufklärung – und wenn ja, warum bemüht ihr euch persönlich darum?
Alexander: Naja, es gab die Aufklärung im 18. Jahrhundert, das ist wohl unbestritten. Und auch wenn man manchmal das gegenteilige Gefühl hat – wir leben natürlich heute in einer aufgeklärten Zeit. Trotzdem haben esoterische Konzepte enormen Zulauf und da wollen wir schon gegensteuern.
Alexa: An die Aufklärung zu glauben wäre ja auch fast ein Paradoxon. Aber im Ernst, wir möchten schon einen Beitrag zur Verbreitung des wissenschaftlich-kritischen Denkens leisten, also aufklären, wenn man so will. Alexander: Man kann entweder meckern oder was tun, und wir haben uns für Letzteres entschieden.
Wer oder was sind die drei größten Bedrohungen für die Aufklärung?
Alexa: Religion und die Angst vor Neuem und Fremdem.
Alexander: Und jede Form von Dogmatismus und Radikalismus. Auch die sogenannten Skeptiker sind manchmal nicht frei davon.
Ist euch das Gefühl wichtig, mit der Arbeit etwas zu bewirken oder geht es euch vor allem um Unterhaltung?
Alexander: Es geht um beides. Natürlich möchten wir unterhalten, denn sonst verlieren die Hörer ja auch mit Recht die Lust an Hoaxilla. Aber wenn wir dann auch noch Mails bekommen, in denen uns Hörer schildern, dass sie durch den Podcast aus der Esoterikszene herausgefunden haben oder Gleichgesinnte gefunden haben, dann ist das wirklich großartig und erfüllend.
Und woran kann es liegen, dass es Euch noch nicht im Radio oder im Fernsehen gibt?
Alexa: Auch wenn die Szene wächst, ist der Podcast als Medium immer noch eher Teil der Internetbubble. Den Sprung in die „alten Medien“ zu schaffen ist gar nicht so einfach.
Alexander: Und wir halten bei den meisten Themen, im Gegensatz zu Sendungen wie Galileo, kein Hintertürchen offen und sagen „vielleicht ist ja doch was dran“.
Sind Produktionen wie Hoaxilla eigentlich ein westliches Phänomen?
Alexander: Meinem Kenntnisstand nach, ist die Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlich-kritischen Denken eher ein Phänomen von Industrienationen, die einen gewissen Entwicklungsstand haben. Aber etwa auch in Indien gibt es Skeptiker und Australien hat mit dem „Token Skeptic“ einen eigenen sehr guten Podcast. Sicherlich muss aber eine Gesellschaft die grundsätzlichen Probleme von Ernährung, Gesundheit und Sozialstaat zumindest bis zu einem gewissen Grad gelöst haben, damit eine breitere Auseinandersetzung mit dem Thema Wissenschaft beginnen kann.
Wo rangiert Religion in Eurem Themenspektrum?
Alexander: Einige unserer Themen haben direkt oder indirekt mit Religion zu tun. Aber Religionskritik ist nicht der Hauptzweck unserer Sendung.
Alexa: Wie oben schon gesagt, ist Religion ein Gegenentwurf zu dem, was wir als Aufklärung betrachten, aber viel wichtiger als nur gegen Religion zu wettern ist es, dem Phänomen des „Glaubens“ statt Wissens auf den Grund zu gehen. Und das wiederum spielt im Prinzip ja bei allen unseren Themen eine Rolle.
Warum steht es nicht ganz oben auf der Themenagenda?
Alexa: Es gibt neben Religion auch viele andere Glaubenskonstrukte und esoterische Konzepte, die man behandeln kann und sollte.
Alexander: Religionskritik ist zwar wichtig, aber wir gehen bei der Themenauswahl wie gesagt auch oft nach Lust und Laune vor und da stehen dann eben andere Dinge weiter oben auf der Liste.
Verratet ihr, wie ihr es selbst damit haltet?
Alexa: Ich bin gottlos glücklich. Im Ernst, ich bezeichne mich als Atheistin und Humanistin. Ich finde es faszinierend zu beobachten, wie die Menschen langsam lernen, auch ohne metaphysische Krücken Gutes zu tun und nach gewissen Werten zu leben.
Alexander: Meine Abspaltung vom Glauben war ein eher langer Prozess. Hätte ich mich vor 20 Jahren noch als gläubiger Christ bezeichnet, bin ich heute Atheist.
Der Podcast im Netz: www.hoaxilla.de
Was der ausschlaggebende Grund für euch, aus der Kirche auszutreten?
Alexander: Glaube ist in meinen Augen eine höchstpersönliche Angelegenheit. Sicherlich ist mir die mangelnde Trennung von Staat und Kirche in Deutschland ein Dorn im Auge, auf der anderen Seite war dies nur ein kleiner Teil der Dinge, die mich zum Austritt aus der Kirche bewogen haben. Ich sehe keinen Sinn darin, auf ein Leben nach dem Tode zu bauen, auf das ich keinen Einfluss habe. Vielmehr sollte man im Hier und Jetzt ein Leben führen, dass von humanistischen Idealen geprägt ist. Sollte nach dem Tode noch etwas kommen, kann ich mich ja dann damit auseinandersetzen. Wichtig ist mir aber, dass man als Atheist den Glauben Anderer tolerieren sollte.
Alexa: Ich wollte die Konsequenz aus meiner persönlichen Entwicklung ziehen. Ich war schon einige Zeit Atheistin, bevor ich dann aus der Kirche ausgetreten bin.
Kirche bedeutet ja für viele Menschen nicht nur Wahrheit, sondern auch Gemeinschaft auf einer bestimmten Ebene. Habt ihr da einen Ersatz gesucht oder gefunden?
Alexa: Ich war noch nie der große Vereinsmensch. Aber Spaß beiseite, in gewisser Weise fühle ich mich im Austausch mit anderen Atheisten und Humanisten sehr wohl. Und auch bei den „Skeptikern“ natürlich. Wir sind ja auch Mitglieder der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, d. Red). Aber ich hab es wirklich nicht so mit festen Gemeinschaften, auch wenn ich sehr gern neue interessante Menschen treffe.
Alexander: Es liegt in der Natur des Menschen, sich gern mit Gleichgesinnten zu umgeben. Allerdings benötige ich keine formalisierte Gemeinschaft, um mich nicht verloren zu fühlen. Wir haben aber auch den Luxus durch den Podcast ein deutschlandweites Netzwerk von Menschen aus allen Schichten zu haben. Vielleicht sind wir deshalb auch nicht so repräsentativ.
Gibt es eigentlich auch Leute, die euch wegen eures Podcasts als Gegner sehen?
Alexander: Klar, die gibt es. Vor allem sind das vehemente Vertreter von Verschwörungstheorien und solche, die am Verkauf esoterischer Dienstleistungen und Produkte ein wirtschaftliches und/oder ideelles Interesse haben.
Alexa: Wir werden des Öfteren von solchen Leuten auf unserer Seite oder bei Facebook verbal angegriffen und „getrollt“, aber bisher haben wir den jeweiligen Kommentator irgendwann geblockt, wenn es uns zu bunt wurde und dann war es auch wieder gut.
Im vergangenen Mai habt ihr auch den Humanistentag in Hamburg besucht. Welche Eindrücke hat das bei euch hinterlassen?
Alexa: Das waren fast ausschließlich positive Eindrücke. Wir haben außergewöhnliche Menschen erlebt und gesprochen, von interessanten Projekten erfahren und es herrschte einfach eine tolle Stimmung.
Alexander: Stimmt, auf der anderen Seite war das Vortragsprogramm etwas zu dicht gedrängt, so dass oft nicht genug Zeit für Diskussion und Austausch blieb. Aber dafür war es natürlich auch hochkarätig besetzt.
Viele bekennende Atheisten und Humanisten behaupten traditionell von sich, nicht zu glauben oder an nichts zu glauben. Würdet ihr sagen, dass diese Einschätzung zutrifft?
Alexa: Naja, sie glauben dann schon in der Regel an das Gute im Menschen und an die Möglichkeit, unsere Zukunft positiv gestalten zu können.
Alexander: Ich versuche tatsächlich wenn möglich die Aussage „Ich glaube“ nur dann zu benutzen, wenn ich meine Aussagen nicht mit Fakten untermauern kann. Die Atheisten und Humanisten, die ich inzwischen kennengelernt habe, waren stets geprägt von einem starken moralischen Kompass, der allerdings ohne dogmatischen Überbau auskam.
Besitzt ihr als professionelle Skeptiker eigentlich so etwas wie eine Utopie?
Alexa: Eine Utopie ist ja letztlich nur ein Gedankenspiel. In diesem Sinne denkt man schon darüber nach, wie zum Beispiel eine Welt ohne Religion aussähe. Und dann fragt man sich, wäre das wirklich die beste aller Welten, also eine Utopie? Ich denke, wenn das der Endpunkt einer allmählichen Entwicklung ist, die Menschheit also die Religionsskrücke wegwirft, weil sie alleine laufen kann, dann ja. Natürlich wäre nichts Positives daran, den Menschen diese Krücke gewaltsam wegzunehmen, um in diesem Bild zu bleiben. Man kann höchstens helfen, ihnen das Laufen beizubringen. Volker Panzer zeigte sich im Interview zuversichtlich, dass der Niedergang alles Religiösen ins Haus steht. Seid ihr da auch so zuversichtlich?
Alexander: Zum Teil zumindest stimmen wir zu, da kann ich wohl für uns beide sprechen. Allerdings gibt es da eine solche Vielzahl an Entwicklungen zu berücksichtigen, dass es schwer ist, eine Prognose abzugeben. Was die katholische Kirche in Europa angeht, würden wir ganz klar sagen, ja, sie verliert an Macht. Auf der anderen Seite scheint der Run auf etwaige esoterisch-religiöse Konzepte nicht weniger zu werden und es gibt weltweit viele radikal-religiöse Gruppen unterschiedlichster Couleur. Wenn man sich mit solchen Tendenzen beschäftigt, hat man schnell das Gefühl, dass solche Fanatiker auf dem Vormarsch sind. Vielleicht ist das aber auch nur das letzte Aufbäumen der Religionen auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.
Ihr glaubt auch, dass Religion irgendwann gar keine Rolle mehr für das Leben der Menschen spielen wird?
Alexander: Alexa hat vorhin das Bild von der „Religionskrücke“ benutzt, ganz sicher werden die Menschen sie irgendwann nicht mehr brauchen. Die Frage ist nur, wie lang dieser Prozess dauert. Vielleicht wäre es auch gar nicht so gut, wenn es zu schnell ginge. Die Menschen müssen ja auch erst mal soweit sein, ohne die Heilsversprechen der Religionen auskommen zu können.